Schlaue Texte 7 – Die Pattern Language (von Christopher Alexander) am Beispiel der PINX – PATTERN

Pattern Language   PINX Pattern  pdf

Christopher Alexander spricht in dem Konzept der PATTERN LANGUAGE von der QUALITÄT OHNE NAMEN. Ein Basis-Kriterium für das Leben der Menschen in einer Stadt oder Region, in einem Haus oder in der Wildnis, das sich aus einer zentralen Qualität begründet. Diese Qualität ist zwar objektiv und genau, lässt sich aber nicht benennen. “Die einfache und doch komplexe Freiheit von Widersprüchen ist in der Tat die Qualität, die die Dinge zum Leben erweckt. In der Welt lebendiger Dinge kann jedes System mehr oder weniger wahr und sich mehr oder weniger treu sein. Aber es kann nicht dadurch wahrer werden, dass es äußerliche Maßstäbe übernimmt, um so zu werden, wie es sein sollte.“ (Christopher Alexander, Qualität ohne Namen, Kapitel 2, S.16, Arch+ 1986). Christopher Alexander spricht von der Unmöglichkeit, diese Qualität zu benennen, obwohl diese äußerst genau und präzise ist. Er versucht sie mit Begriffen zu erklären und mit Wörtern einzukreisen: lebendig, ein Ganzes, behaglich, frei, genau, ewig und egolos. Aber Begriffe können diese Qualität nur einkreisen, da die QUALITÄT OHNE NAMEN eher genau ist und die Worte, die diese beschreiben, eher ungenau.

Das gilt bei Christopher Alexander besonders auch für den Begriff „lebendig“. Dinge, Ideen, Menschen, Orte, Projekte können lebendig sein, wenn sie sich mit ihren inneren Kräften im Einklang befinden.

Aber auch mit dem gefährlichen Wort „behaglich“ und „gemütlich“ meint er das Nichtexistieren von inneren Widersprüchen und jeglicher Störungen.

Um die Qualität ohne Namen zu beschreiben, verwenden wir laut Christopher Alexander (vgl. Arch Plus Nr.73) häufig den Begriff ein „GANZES“. „In dem Maße ist ein Ding ein Ganzes, als es frei von inneren Widersprüchen ist. Lebt es dagegen in Unfrieden mit sich selbst, muss es Kräfte mobilisieren, um seiner inneren Widersprüche Herr zu werden, so ist es kein GANZES, je freier etwas von inneren Wiedersprüchen ist, desto mehr ist es ein Ganzes, gesund und aufrichtig.“

Der Begriff „frei“ überwindet für Christopher Alexander die fehlende Offenheit der Begriffe „Ganzes“ und „behaglich“.

„Das Wort >genau< kann den Eindruck ausgleichen, den die Worte >gemütlich< und >frei< hinterlassen. Sie deuten die Qualität ohne Namen als ungenau und unpräzise. Es stimmt ja auch, sie sind ungebändigt, fließend und entspannt. Aber die gemeinte Qualität ist nie ungenau. Die Kräfte sind in jeder Situation wirklich.“ (vgl. Arch Plus Nr.73). Wenn das gesamte System, der Entwurf oder das Konzept, das wir planen oder durchführen, nicht genau und präzise ausbalanciert ist, ist es möglich, dass scheinbar unwichtigere oder auch vergessene Kräfte das gesamte Konzept zerstören.

Damit ein Ort lebendig bleibt und genug Raum für die Entfaltung seiner Natur vorhanden ist, sollte er nicht erfüllt sein vom EGO seines Schöpfers, er sollte nach Christopher Alexander egolos sein. Allerdings ist es bezeichnend für Christopher Alexander, dass er, sobald er einem Begriff zur Definition der Qualität ohne Namen zustimmt, diesen auch wieder kritisiert und in Frage stellt.

So ergänzt er den Begriff der Egolosigkeit mit dem Wort „ewig“. Alle Ideen, Menschen, Dinge und Plätze, die über die Qualität ohne Namen verfügen, transzendieren die Zeit.

 

–          Beispiel des Offenen Ateliers der Kunstschule PINX:

In diesem Jahr sind wir dabei, unser Konzept durch sogenannte „PINX-Pattern“ zu erweitern. Durch die Entwicklung bzw. gemeinsame Entdeckung dieser Pattern befähigen wir die Kinder, für ihre eigenen Ideen und Vorstellungen einzutreten. Ermöglicht wird dies durch das Modellprojekt Generation Kunst des Landesverbandes der Kunstschulen Niedersachsens „Kunstschulprojekte – von der kulturellen Teilhabe zu gesellschaftlichem Empowerment“. Ziel dieses Förderprogramms ist es, Kinder und Jugendliche durch erfahrbargemachte Kunst im Alltag zu empowern und zu stärken. Innerhalb des Offenen Ateliers der Kunstschule PINX entwickeln die Kinder zurzeit gemeinsam mit Dozierenden eine „Pattern Language“ (nach dem Konzept des Architekten und Philosophen Christopher Alexander). Wie schaffen wir es, auf unsere Belange und Ideen bei der Gestaltung unseres Ortes aufmerksam zu machen? Was fehlt in unserem Ort, wo haben wir Kinder unsere Lieblingsplätze, und wie müsste ein Ort für Kinder aussehen? Besonders Jugendliche auf dem Land brauchen das Gefühl, sich ihren Lebensraum zurückzuerobern und an der Gestaltung des Ortes teilzuhaben. Anhand der Methode der „Pattern Language“ (Christopher Alexander) und der sogenannten „Ästhetischen Forschung“ (Helga Kämpf Jansen) greifen wir gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen Themen und Fragen auf, die sie bewegen.

Innerhalb der PINX-Pattern kommen die Kinder der Kunstschule interessanterweise auf ähnliche Muster wie Christopher Alexander sie in der Beschreibung der „Qualität ohne Namen“ benennt: „Die Freiheit ist wichtig für Kinder. Und die Erwachsenen müssen genau aufpassen, wenn sie planen. Kinder sollen die Möglichkeit haben, etwas zu machen und nicht nur dann etwas machen dürfen, wenn andere es befehlen. Es ist gar nicht so wichtig, dass wir Kinder das dann wirklich tun, sondern dass wir das irgendwann machen können, dass wir selber entscheiden können, wann wir etwas machen oder ob wir es überhaupt machen. …. Und das muss man dann ganz genau planen.“ (Jason, 12 Jahre, aus dem Offenen Atelier zum Thema „WIE sollen Erwachsene planen“)

„Es ist voll interessant so einen Plan von Schwarmstedt zu bearbeiten. Dann versteht man das Ganze erst richtig und jetzt sehe ich, dass gar nicht so viele Orte zum Planen für uns Kinder übrig bleiben, wenn man so das GANZE betrachtet. Wir könnten da, wo es nass ist, Bäume pflanzen für die Baumhäuser und so etwas Neues machen und zwischen den Bäumen am See unserer Kinderhaus bauen.“  (Lennart, 8 Jahre, aus dem Offenen Atelier zur Vorstellung des Bebauungsplanes der Samtgemeinde)

Maher, 8 Jahre, beschreibt in einem Interview für den Blog „Generation Kunst“, wann er sich wo lebendig fühlt, dort in den von Kindern entworfenen Lieblingsorten. „Wenn etwas lebendig ist, wenn jemand lebendig ist, können wir es wahrnehmen, kann ein Raum oder ein Ort gefüllt werden mit Lebendigkeit. Ein gut gemachtes Feuer kann lebendig sein, ein Kind, das singt, eine Welle, die sich bricht, aber auch Worte und Bilder, die uns berühren.“

–          Innerhalb des Offenen Ateliers wollen wir mit unserer PINX – Pattern gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen diese Aufrichtigkeit mit dem Blick auf das Ganze, ihre Umgebung und unsere Gesellschaft benennen und ermöglichen. Ein Empowerment zum Denken und Handeln, als Teil der Gesamtheit ihrer alltäglichen Welt. So können wir versuchen, sie zu befähigen auch selbst ihr Leben und ihre Umgebung zu gestalten.

Maher erzählt auch, warum Freiheit wichtig für Kinder ist. Er selbst spricht sogar vom Freiraum. Christopher Alexander benennt bzw. kreist in seinen Texten die „Qualität ohne Namen“ durch den Begriff FREI ein. Er meint ein FREI SEIN von Vorbildern und einengenden Vorstellungen. Er meint ein NEU denken und, wie auch Maher, einen Freiraum für neue Ideen, neue Gedanken und tatsächliche freie Räume.

 

Christopher Alexander legt einen revolutionären oder auch klaren, einfachen Grundsatz vor: Jedem Menschen ist die ureigene Kraft inne zu gestalten, ein Haus zu bauen, Wissen weiter zu geben und gemeinsam Entscheidungen zu treffen. „Aber wie die Dinge nun einmal liegen, ist die Welt durch Regeln, Konzepte und Ideen verstellt, die uns lehren sollen, wie man ein Haus oder eine Stadt zum Leben erweckt, so dass wir uns vor dem, was ohne unser Zutun natürlich geschieht, fürchten und wir überzeugt sind , dass die Welt ohne System und Methode im Chaos versinken würde.“ (Christopher Alexander, Eine Pattern Language, 1986)

Nach Christopher Alexander ängstigen sich die meisten vor diesem Chaos. Wir fürchten, dass ohne Vorbilder und Methoden Chaos ausbräche, schlimmer noch, dass wir und unsere Schöpfungen ohne sie im Chaos endeten. Wir haben Angst, belächelt zu werden, wenn wir Chaos hinterlassen. Wir fürchten vor allem, Chaos zu erzeugen, wenn wir hoffen, Kunst zu schaffen und dass wir uns fürchten, selbst nur Chaos, leer, hohl, ein Nichts zu sein. Tatsächlich ist, nach Christopher Alexander, dieses vermeintliche Chaos eine reiche, wachsende, sterbende, rhythmische, schreiende, schlafende Ordnung. „Das ist die zeitlose Art zu bauen und zu planen: Eine Kunst sich anzueignen – und sie wieder abzustreifen“ (Christopher Alexander, Eine Pattern Language, 1986)

 

Anhand dieser QUALITÄT OHNE NAMEN benennt Christopher Alexander Pattern der Handlung, Pattern des Raums und eine eigene Pattern Language. Genauso ist es aber auch möglich, nach diesem Konzept Pattern der Handlung als partizipatorische Handlungen zu verfolgen und als Arbeitsfeld nicht nur den Raum oder den Ort, sondern auch politische Mitbestimmung, Teilhabe an gesellschaftlicher Gestaltung oder auch die Entwicklung von Unterrichtsdidaktik durchzuführen. Genauso ist es auch möglich, anhand der „Qualität Ohne Namen“ auch Regeln oder die Art und Weise der Mitbestimmung zu entwickeln.

 

Christopher Alexander leitet seine Theorien aus seinen theoretischen und empirischen Forschungsergebnissen ab. Für die Zwecke einer Einführung entwickelte Leitner als Ergänzung ein axiomatisches Paradigma. ( vgl. aus der Reihe MUSTERFORSCHUNG 001 von Helmut Leitner Juni 2016):

 

der grundlegende Vorgang in der Welt ist die Entfaltung des Lebens.

das Leben besitzt eine graduelle Lebendigkeit. Vor der Biologie beginnt das Leben schon als Dichte und Intensität geometrischer Strukturen im Raum. –

der leere Raum ist nicht wirklich leer, sondern ein dynamisches Medium, das zum Leben erwacht.

der Mensch ist in der Lage, die Lebendigkeit von Systemen mit seinem Gefühl wahrzunehmen, als eine Form von Resonanz

Gefühlsentscheidungen über Lebendigkeit sind objektiv, so dass verlässliche Entscheidungen darauf aufgebaut werden können.

Lebendige Umgebungen stärken den Menschen in seinem Menschsein, seiner Handlungsfähigkeit und seiner Freiheit. Das ist das Ziel jeder Gestaltung.

der Sinn des Lebens besteht in der Teilhabe am Leben, durch die Entfaltung des eigenen Selbst im Einklang mit der Entfaltung seiner Umgebung.

 

„Wir wollen teilhaben am Leben, und wir wollen selber dazugehören und mit entscheiden können, und wir wissen genau, wo etwas gut passen könnte, wo wir uns wohlfühlen und wo nicht. Nicht alles um uns herum ist wirklich gut, das müssen die Erwachsenen verstehen!“ (Wortlaut der Kinder aus dem OFFENEN ATELIER der Kunstschule)

 

Reinhard Bauer versucht den von Christopher Alexander ursprünglich für die Architektur entwickelten Musteransatz für die Didaktik zu öffnen und aus einer diskursanalytischen Perspektive für den Unterricht nutzbar zu machen. In Anlehnung an Leitner (2007, S.166f.) stellt er die wesentlichen Aspekte der Musteranwendung im System Unterrichtsgestaltung zusammen:

–          Unterricht ist ein lebendiges System

–          Durch Dokumentation bewährter Unterrichtpraxis in Form der Mustersprache, wird Unterricht als lebendiges System verständlich. Besonders im Spannungsfeld und in den darin wirkenden Kräften und die mit einer Lösung einhergehenden Konsequenzen hält die Mustersprache alle relevanten Informationen für die Lehrenden bereit.

–          Mustersprachen stellen möglichst vollständige Sammlungen dar, zu deren Anwendung ein sich aus Logik und handwerklicher Erfahrung ergebendes Prozesswissen, der Anwendung von Mustern, der Entstehung und Veränderung von Zentren gehört.

–          Ein wesentliches Kennzeichen der Gestaltung von Unterricht ist die Partizipation aller am Lehr-Lern-Prozess Beteiligten.

–          Die Lehrenden werden zu den Coaches dieser Partizipation, indem sie die Mustersprache, den Prozess und die Methode verstehen. Die Planung und Gestaltung des Unterrichts verfolgt das Ziel der gemeinsamen Entfaltung des lebendigen Systems Unterricht.

Und auch hier gilt: dieses vermeintliche Chaos ist eine reiche, wachsende, sterbende, rhythmische, schreiende, schlafende Ordnung, ist das lebendige System Unterricht. „Das ist die zeitlose Art zu Unterricht zu planen und zu unterrichten: Eine Kunst der Didaktik sich anzueignen – und diese, wenn sich andere Schwerpunkt-Zentren gebildet haben, auch wieder abzustreifen“ (vgl. Alexander, Eine Pattern Language, 1986)

 

Hildegard Strutz februar 2018