
11 Okt 1. Juni 2018 EIN GESPRÄCH ZWISCHEN ELKE, IRENE UND ELENA
Ich besuchte Elke, Irena und Elena am 1. Juni 2018 in Hannover, vor den zwei öffentlichen Interventionen ihres Projektes ‚POSITZIONSWECHSEL – Ein Kunstprojekt mit Sitzen und Setzungen’ am 9. Und 27. Juni in Hannover.
Susanne: Wo seid ihr gerade im Prozess des Projektes, wo seht ihr momentan die Herausforderungen, Überraschungen und aber auch Veränderungen / Neuerungen zum Geplanten oder Visionierten?
Wie geht es euch mit eurer Rolle und euren Aufgaben in dem Prozess (in Relation zu den vielleicht sonst in eurer Kunstschulrealität geforderten Rolle(n))?
Elena: Ich habe eine Vorstellung von den Dingen, wie es sich da draußen entwickelt und wie die Umsetzung klappt. Da alles sich immer anders als geplant und erfordert Flexibilität: Das Wetter, der Transport.
Wenn man vor Ort: Wie werden die Passant_innen reagieren und wie werden wir reagieren, das wird eine spannende Improvisation.
Susanne: Wie bereitet ihr euch darauf vor?
Elena: Ich glaube, dafür braucht man Selbstbewusstsein, das strahlt man aus, da wir das über Monate entwickelt haben. Und dadurch dass die Kunstwerke inhaltlich soviel Gewicht haben und das ausstrahlen, und die Künstler_innen sich bewusst sind, glaube ich, dass wir Interesse nach außen erzeugen.
Susanne: Ich habe mir letztens angeschaut, wie die schwarze Bürgerrechtsbewegung in den 1960ern sich auf den gewaltlosen Widerstand in ihrem zivilen Ungehorsam vorbereitet hat. Und das habe ich angeschaut in dem Kontext von einem Kunstprojekt, die sich auch mit Rollenspielen von Szenarien und Reaktionsmöglichkeiten auf möglichen Widerstand vorbereitet haben.
Irene: Eine Teilnehmerin fragte mich dazu wie sie sich Verhalten soll: So natürlich wie möglich ins Gespräch gehen. Sie haben diese Erfahrung ja noch gar nicht geübt oder gesammelt. Wie muss ich meine Sachen vertreten, muss ich daneben stehen? Ich habe die Erlaubnis zum zurückziehen, sich bewegen, bei den andere mit- und hinhören empfohlen.
Susanne: Ich finde interessant; ihr sprecht von Ausstellung und Präsentation. Wie seid ihr auf die Wortwahl gekommen?
Elke: Ich würde nicht von Ausstellung sprechen, aber von Präsentation. Und es ist auch eine Intervention, weil wir den Ort verändern und zum Teil eine Performance, wenn wir uns da hinbewegen.
Susanne: Mit Präsentation verbinde ich eine bestimmten Form von „Fertigkeit“ und wenn ich an eure kommenden Aktionen im öffentlichen Raum denke, dann stelle ich mir viel Interaktion vor.
Irene: Für mich ist es beides. Die Objekte sind fertig, wir gehen damit jetzt raus, wir zeigen es. Eine Intervention geht für mich weiter. Wir sind zwar im öffentlichen Raum, aber ich glaube nicht, dass wir irritieren. Da müßten wir „schärfer“ sein, meine ich. Wollen wir im Ursprungsgedanken denn Interventieren?
Susanne: Für mich muss das nicht „scharf“ sein, aber jemanden für einen Augenblick aus seinem/ihrem Alltag herausnehmen um die Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu richten. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es sehr intensive und tiefe Gespräche geben könnte.
Irene: Vielleicht macht dieser öffentliche Außenraum das zu einer Intervention, dadurch dass Menschen ungeplant darein gezogen werden.
Susanne: Wie kommt es zu der Auswahl der zwei Orte in Hannover, Maschsee-Nordufer und Ballhof Platz?
Elke: Der Ballhof Platz ist unheimlich schön, lädt zum Verweilen ein; es sitzen immer massenhaft Leute rum. Es breitet sich auch von den afes immer wieter aus, der Platz ist zauberhaft und sehr bekannt, vergessen und präsent. Für uns ist es einer der schönsten Plätze in Hannover.
Irene: Er entschleunigt auch. Es wird langsamer und chilliger, Dinge passieren lassen und gucken. Es ist optimal für unser Projekt, wo es um Stehen bleiben und wirken lassen, Konversation geht.
Elke: Das Maschsee-Nordufer ist total anders. Da sind superviel Spaziergänger, aber da ist mehr Energie und Fluß.
Elena: Am Maschsee-Nordufer kann man aber auch Radfahrer und Jogger erwischen.
Elke: Zeitpunkt sind anders. Unterschiedliche Orte, Zeitpunkte, Wochentage, das finde ich spannend an Qualitäten.
Irene: Die Regenvariante ist der Kröpcke, da müssten wir spontan reagieren und alles umwerfen. Das ist den Teilnehmenden eingefallen. Wie klappt das mit den Situationen, die wir noch gar nicht erahnen? Ich denke, wir werden dann zusammen nachdenken müssen und das macht aber auch eine Stärke aus.
Susanne: Wie ist das mit Genehmigungen?
Irene: Das machen wir ohne. 20 Minuten darf man, glaube ich, herumstehen.
Elke: Das Einzige, was wir planen, ist den Transporter zu fragen, ob er auch Routenänderungen akzeptiert. Wer viel fragt, bekommt auch viele Antworten. Wir werden einfach spontan sein, weil man einfach auch nicht viel vorab tun kann, außer zu reagieren, selbst wenn wir weggeschickt werden. Wir können dann auch eine Laufperformance machen. Unberechenbar ist auch, ob alle Teilnehmenden kommen, da sie ABI haben und im Moment feiern und reisen. Werden alle die ganze Zeit dabei bleiben? Aber das ist so. Und nach dieser Veranstaltung sind die Teilnehmenden entweder im nächsten Lebensabschnitt oder in den Sommerferien und das verändert alles immer ganz stark.
Susanne: Seid ihr stimmmungsmäßig schon im Danach oder davor?
Irene: Die Präsentation ist für mich der krönenden Abschluß.
Elke: Das ist für mich ganz anders. Ich bin im Moment mitten in den Vorbereitungen und dann auch schon mental im Folgeprojekt und auch in Wolfenbüttel. Ich bin auch mit Sachbericht und Finanzen und einem Text für den Infodienst beschäftigt.
Elena: Ich bin total in dem Davor, muss ich sagen. Ich bin voll auf damit beschäftigt.
Susanne: Habt ihr das Gefühl, dass sich für die Teilnehmerinnen etwas verstetigen könnte? Sind da Freundschaften entstanden? Ist da etwas näher zusammengerückt?
Elke: Unsere zwei Jüngsten sind sich näher gekommen. Eine bewirbt sich in Hildesheim und der Stuhl ist Teil der Bewerbung. Eine andere wird hier Praktikantin in der Kunstschule., Ich glaube nicht, dass sich etwas bei den Abiturientinnen verstetigt, die gehen nun alle anderer Wege.
Irene: Projekte brauchen mehr Zeit, manche haben sich hier verabredet und allein an den Stühlen gearbeitet. Für die Jungen ist vieles kurz, sie suchen nichts anderes oder verfestigend. Sie nehmen das alles sehr ernst und positiv und öffnen sich sehr. Ganz tolle Gespräche fanden statt und es war spannend zuzuhören.
Susanne: Ihr spielt ja da auch eine wesentliche Rolle in diesem Prozess. Sind die Teilnehmenden euch näher gekommen im Sinne von einer erwachsenen Person auf Augenhöhe, die nicht verwandt sind?
Elke: Mit vier von denen bin ich eh total nah, da sie in einer Montagsgruppe sind. Mit dreien habe ich auch nah zu tun, da ich einen Kompetenznachweis schreiben musste. Das ist fast partnerschaftlich. Mit denen, die ich nicht kannte, hatte ich emotional auch viel zu tun.
Elena: Ich sehe mich sowieso altersmäßig sehr nah. Freundschaftlich ist der passende Begriff.
Susanne: Gab es denn wegen den Beziehungen Reibungen? Zum Beispiel ein Gefühl von „unsichtbarer Arbeit“ von euch, weil es offene Situationen sind und es keine klaren Aufgaben gibt. Was macht das mit meiner Rolle, wenn ich einen Flow zulasse und mich darauf verlasse, dass alle mitdenken? Euer Ablauf war wahrscheinlich sehr klar und strukturiert und nicht unbedingt aus der Norm, da ihr viel so arbeitet.
Irene: Und schon erprobt, weil dieses gemeinsame Überlegen erprobt ist. Gemeinsam arbeiten ist hier normal und diese Rollen sind aufgehoben.
Elena: Ihr kennt eure technischen Rollen, aber inhaltlich finde ich, war es anders: Ihr habt kein Wissen vorgegeben und angeleitet wie in der Schule. Inhaltlich war nichts vorher so festgelegt, was daraus wird.
Elke: Ich kenne manche 10 Jahre, wir haben so einiges durchlebt und ich weiß, wo wer persönlich steht. Ich weiß über die Familienverhältnisse und in der langen Geschichte ist es ein Bausteinchen mehr.
Irene: Bei mir ist das anders. Wir haben biografisch vieles mit Annette bearbeitet. Richtig nah bin ich dennoch nicht ran. Das braucht auch bei mir mehr Zeit. Das geht in der Kürze nicht.
Elke: Es waren auch nie alle da, eine fehlte immer.
Susanne: Ich glaube, alle haben andere Formen von Beziehung und Vertrautheit erlebt.
Elke: Ich glaube, unsere Teilnehmenden haben nicht umsonst so lange gebaucht und „getrödelt“.
Irene: Der Prozess von Gedanken in Formaussagen dauert. Sie haben sich nicht so schnell festgelegt. Sie haben viel gesessen und minutenlang den Stuhl angeschaut. Die waren so voll bei sich und hatten wie eine Glocke um sich.
Elke: Sie haben sich die Zeit genommen, es hat ihnen gut gefallen und wenn sie gefehlt haben, hatten sie immer einen guten Grund. Keine hat gefehlt wegen keine Lust oder Faulheit. Man kann auch dann langsam machen, wenn man sich wohl und angenommen fühlt. Diese Tiefenentspannung und Sicherheit zu haben, die hat man nicht, wenn man sich gedrängt fühlt. Für uns war das eher eine Herausforderung, auch tiefenentspannt zu sein. Eine hat ihren Stuhl zum Fertigmachen mit heim genommen, aber ich bin da voller Vertrauen.
Irene: Fühlt du dich denn wohl in deiner Rolle als wissenschaftliche Begleitung? Kommen genug Fragen von uns? Du schaust ja überall rein.
Susanne: Es sind ganz unterschiedliche Beziehungen und Formen von Kontakten zu mir, von ganz intensiv, auch weil es kein Team zuhause gibt oder eine Krise herrscht oder es so emotional wird. Ich bin in ganz unterschiedlichen Funktionen anwesend. Mein Abwägen ist immer: Ein Angebot machen und nicht zu nah heranrücken … Für mich ist der Prozess noch lange nicht zu ende und ich sehe meine Aufgabe darin, ihn in der Schwebe zu halten. Man spürt wenn ein Prozess zu ende geht. Eurer ist auch noch lange nicht fertig. Und die Konsequenzen sich bei machen groß und bei manchen nicht absehbar.
Bei euch ist das vielleicht Routine, ich erlebe euch ungeheuer unaufgeregt.
Wie ist denn dieser Prozess für euch als Team gewesen? Da müsste auch Annette nochmal dazu kommen. Vielleicht ist das gut, sich mal die Erwartungen anzuschauen, die weißen Elefanten im Raum, das Leben, was da hereinragt, …
Wenn wir über Prozess reden, dann haben wir einzelne Prozesse, aber eben auch einen Weg als Team.
Ich finde es sehr spannend zu merken, wie anders die Realitäten sind, vor Ort, in den Beziehungen. Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich da reingelassen werde. Ich höre ja auch die Fragen, die sich ergeben… Die Herausforderungen, reiche ich in dem Rahmen, wen erreiche ich nicht, wer ist hier stimmlos… es gibt darauf weder die eine Lösung noch ein Richtig oder falsch.
Mich bewegt das sehr, auch das biographische, von euch aber auch von denen, von denen ihr erzählt.
Wie geht es euch denn mit mir?
Elke: Gut.
Irene: Vorher denke ich immer, oh jetzt muss hier auch noch denken… wie sage ich es, wie beantworte ich diese Fragen… und wenn du dann da bist und wir reden, dann fühle ich mich sehr wohl damit. Ich habe viel zu tun und wenn ich dann schrieben muss, dann fühlt das Wie ein Zuviel an. Wenn wir sprechen, dann läuft es gut und fühlt sich gut an.
Elena: Ich habe die Fragen vorher gelesen und hatte aber keine Zeit mich vorzubereiten. Dennoch fiel es mir jetzt sehr leicht und es war richtig schön.
Susanne: Es gibt auch noch eine andere Erklärung… wir sprechen, aber wir haben ja auch noch 100 andere Tentakel. Wenn ich hier bin, sprechen ja auch noch andere Ebenen, z.B. diese Entspanntheit von euch vermittelt sich ganz räumlich. Auch die Akzeptanz, nicht genug Zeit für mehr Tiefe gehabt zu haben. Ihr habt ein gut gehaltenes Setting, da gibt es keinen Stress. Ihr habt als Einzige eine Rolle wie Elena, die fotografiert und zuschaut. Das wirkt alles.
Ich danke euch für diese Zeit mit mir.