Mai 2019

Warum ist Partizipation wichtig? ist immer wieder eine Kernfrage, die innerhalb der Kunstschulprojekte aufkommt.

Susanne Keuchel listet in ihrem Text „Chancen und Herausforderungen für kulturelle Bildungskooperationen im Ganztag: Zu Wirkungsfragen formaler und non-formaler Bildungspraxis“ (Kubi-Online 2019) Grundprinzipien und Bildungsziele der non-formalen Kulturellen Bildung im Vergleich zu anderen non-formalen Bildungsbereichen auf und benennt u.a. die Potentiale, die auch unsere Projekte aufweisen: „Spezifische Wirkungskontexte der non-formalen Kulturellen Bildung liegen nach der vorausgehenden Betrachtung vor allem in der Chance, die Interessenbildung für Kunst und Kultur, also letztlich die kulturelle Teilhabe, positiv zu beeinflussen, Perspektivwechsel anzuregen sowie in der subjektspezifischen Stärkung, aus der eigene „nachhaltige“ Haltungen und Selbstbildungsprozesse resultieren. Der positive Einfluss auf Interessenbildung steht in Zusammenhang mit den Grundprinzipien non-formaler Kultureller Bildung, hier vor allem der Freiwilligkeit, der Subjektorientiertheit, der Stärkenorientierung und der Prozessorientierung, die zugleich auch wichtige Grundlagen für die Entwicklung eigener Haltungen und Selbstbildungsprozesse bilden. Das heißt, den Einzelnen wird ein individueller Raum zur Gestaltung gegeben, innerhalb dessen sich prozessorientierte Selbstbildungsprozesse entfalten können.

Diese Praxis steht in einem deutlichen Widerspruch zu werkorientierten Zielvorgaben formaler Bildung, die den klaren Auftrag hat, die im Curriculum festgehaltenen Bildungsziele zu vermitteln. Es bedarf jedoch prozessorientierter Freiräume für die Entwicklung eigener Interessen und Haltungen. Innerhalb formaler Strukturen, die eine wesentlich stärkere Planung, Strukturierung und Festlegung von Bildungsabläufen verfolgen müssen, sind solche Freiräume – das zeigt die bisherige Praxis kultureller Bildungskooperationen – kaum zu realisieren.“ Zwei der Projekte 2019 werden direkt an Schule andocken, bieten also genau diese Qualitäten in einem eher rigiden System an.

Keuchel schreibt weiter über den Unterschied von kulturellen und politischen Bildungszielen: „Es zeigen sich also in den hier grob skizzierten Bildungszielen und Prinzipien der BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung) und der politischen Bildung im Vergleich zur Kulturellen Bildung vor allem zwei zentrale Unterschiede: Steht in der Kulturellen Bildung die Weiterentwicklung des Subjekts im Fokus, sind bei den anderen beiden Bildungsbereichen gesamtgesellschaftliche Ziele entscheidend.“

Dieser Behauptung, möchte ich lautstark widersprechen, denn zeitgenössische Kunst stellt schon lange einen erweiterten Kunstbegriff in den Raum und hinterfragt damit die Behauptung, kulturelle Bildung würde hauptsächlich auf Subjektstärkung fokusieren und Kunst somit in erster Linie der Selbstdarstellung und dem Finden der einzigartigen inneren Stimme dienen (Dunhill und O’Brien).

Es gibt eine zunehmende Anzahl von Künstler*innen, die sich rigoros mit Kontexten auseinandersetzen. Denn bei Kunst geht nicht nur um eine marktorientierte Produktion, sondern auch um unsere Vernetzung mit anderen und der Welt: In den Praxen wird dem dringenden Bedürfnis nach der Entwicklung auf den neuesten Stand gebrachter übertragbarer und fachspezifischer Fähigkeiten, anwendbarer Kenntnisse und Berufserfahrung Rechnung getragen, die ein nachhaltige Haltung lebt (co-kreativ, kollaborativ, interaktiv, sozial und politisch engagiert). Kunst (vor allem die im öffentlichen Raum) inkludiert den kulturellen und historischen sowie soziale und wirtschaftliche, politische und psychologische Kontext, in dem sie stattfindet. Ich frage mich, warum, obwohl diese Kunstprojekte auf Biennalen, documentas etc stark präsent sind, Kunst und somit kulturelle Bildung immer noch so limitiert dargestellt?