Telefongespräche mit Hildegard Strutz am 05.10.2019 und Jeannette Nietit am 09.10.2019, Kunstschule PINX, Schwarmstedt

FREIRAUM 4YOU – Wo ist unser Freiraum?

Hildegard berichtet von den regen Aktivitäten der PINX Kinderexpert*innen (Alter: 4. Klasse). Diese waren in Buchholz (Aller) unterwegs und planen nun ein Klassenfest. Die Kinderexpert*innen haben sich mit älteren Jugendlichen zusammengetan, um gemeinsam ein Jugendhaus zu gründen. Das PINX Kunstschul-Erwachsenen-Team ist im Moment noch anwesend, aber es wäre ein Ziel, wenn es in Kürze ohne dieses weitergehen könnte. Ermutigung ist die Hauptaufgabe der Erwachsenen im Moment.

 

AUDIO 1 Was in Buchholz los ist, 5.27 min

Jeannette erklärt, wie sie generell den PINX Pattern Prozess einführen:

Die PINX Pattern Prozesse beginnen immer am 1. Tag oder 1. Treffen mit Begegnung und Kennenlernen. Die Grund- und Eingangsfrage der PINX Pattern Sprache ist immer: Was ist dir wichtig?

Am Tag 2 oder bei der nächsten Begegnung geht es im PINX Prozess darum, die Kindergruppen als Forscher*innen in die Welt zu entsenden. Sie gehen zwar in kleinen Gruppen in den Außenraum, um herauszufinden, was sie an der Welt interessiert, aber die Forschungs-Einladung ist individuell gemeint.

Das Erforschte wird im nächsten Schritt an dem Tag sortiert und den anderen vorgestellt. Die Vorstellung erfolgt in einem zunächst leeren Kreis, wo jedes Kind ein Tortenstück mit ihren/seinen Resultaten füllt. Diese Art der Präsentation lädt ein, im Anschluss die Schnittmengen zwischen den Themen und Resultaten zu identifizieren. So erreicht die Gruppe der Einzelnen ganz organisch ein Bewusstsein für das Gemeinsame, das WIR. An der Stelle beginnen Themen zusammen zu gehen.

Die begleitenden Erwachsenen dienen in diesem Prozess als Moderator*innen, Impulsgeber*innen und Gesprächspartner*innen.

Auch fragen sie ganz konkret, was für den nächsten Schritt, den nächsten Tag gebraucht wird und sorgen dafür, dass die Teams so ausgestattet werden, dass sie optimal agieren können. Die Rolle der Gruppenmeetings und Moderation dieser ist, im Prozess immer wieder zu zentrieren und die gefundenen Dinge durch Sortieren und Präsentation/Vorstellen des Gefundenen in der Gruppe auf den Punkt zu bringen. So wird der Prozess neben dem impulsgesteuerten Anteil mehr und mehr durch Bewusstsein und Reflexion geformt.

Innerhalb dieses Prozesses beginnt der 1. Tag oft mit einem externen Eindruck von Chaos, der in Folge ein immer fokusierter, selbstorganisierter Prozess wird.

Vergangene Woche (26.-28.9.2019) fand ein 3-tägiges Projekt in einer Schule in Bothmer mit 46 Kindern im Alter von 5-6 angeleitet von 4 Kinderexpert*innen und einigen Erwachsenen statt. Diese 46 Kinder gehören in die sogenannte „Brückenkinder-Gruppe“ zwischen Vorschule und 1. Schulklasse. Hildegard berichtet, wie interessant es war, mit einer Kindergruppe zu arbeiten, die noch ohne Schriftvermögen ist. Die Kinder haben mit den kleinen Dingen gearbeitet und sich sehr mit dem, was sie gefunden haben, identifiziert wie z.B. Schnecken. Sie arbeiten in dem Alter ganz aus dem Gefühl heraus.

Tag 1: In diesem Fall der jüngeren Kinder bestand das Kennenlernen aus einer Erforschung der direkten Umgebung mit der Frage, wie erfahrbar sie körperlich ihren Raum verstehen. Dazu haben sie Übungen gemacht wie: Wie weit kann ich laufen von meinem Klassenzimmer aus? Wo ist der 1. Zaun? Was fühlt sich zu weit weg (von den anderen) an und somit unsicher? Was fühlt sicher, was sind Freiräume?

Immer wieder ging es um ein Sprechen mit den Kindern über ihr körperliches Erspüren, wie es ihnen mit dem Erfahrenen durch die Übungen geht.

Dann gab es Gruppenbildungs-Übungen. Selbstorganisiert mussten die Kinder herausfinden, wer z.B. ein Haustier hat und welches. Diese temporären Gruppierungen nach bestimmten selbstgewählten Kriterien haben die 46 Kinder wunderbar selber gemanagt.

AUDIO 2 Brückenkinder Projekt, 4.30 min

Hildegard berichtet in Folge etwas von der Rolle der acht Erwachsenen neben den Kinderexpert*innen, was hier  meist Aufsicht und Begleitung hieß. Die 4 Kinderexpert*innen haben die Anderen eingeführt in den Prozess, Schritt für Schritt. Da sie aus der Praxis kommen, ist den Kinderexpert*innen völlig klar, wie man die anderen in den Prozess der eigenen Entscheidungsfindung einführt. An der Stelle beginnt Empowerment, was oft erst einmal chaotisch und ungewohnt erscheint.

AUDIO 3 Prozess und Kunst, 3.50 min

Hildegard beschreibt die Anstrengung dieses Prozesses. Anstrengend war der völlig neue Versuch mit so jungen Kindern zu arbeiten. Es hat erstaunlich gut geklappt. „Wir haben das Konzept etwas vereinfacht. Die kleinen Kinder haben kein Problem aus der Mitte zu arbeiten. Sie sind noch sehr im WIR, finden es schwieriger bei sich zu bleiben.“ Kindergruppen, die wenig von Erwachsenen bereut wurden, haben intensivst eigenes entwickelt.

AUDIO 4 Das Neue an diesem Prozess, 1.15 min

Hildegard beschreibt ihr erstes Gefühl von Scheitern am 1. Tag und wie nach der ersten Vertrauensbildung die Gruppe in einen Flow geriet. Am Tag 2 nicht in den üblichen Tortenstücken zu arbeiten und den Input der Kinder zu „Was ist für dich Freiraum“ einzuladen, sei die Reaktion auf das Gefühl des „gescheiterten“ Tag 1 gewesen. An Tag 2 haben die Kinder dann  ihre ganz eigenen Ordnungen gefunden sowie im Gespräch erarbeitet was Freiraum und Freisein für sie ist.

AUDIO 5 Ein 1.Gefühl von Scheitern und wie es im Flow weiterging, 2.50 min

In der Reflexion dieses Prozesses stellen sich neue Fragen an die Erwachsenen und der Art sowie Intensität des Intervenierens. Ferner stellt sich die Frage, wie sich Dinge fortführen in dem Zeitbegriff des JETZT von so jungen Menschen. In der Schule war es ein einmaliges Erlebnis, in der Gruppe der Jugendlichen mit den Kinderexpert*innen geht es weiter.

AUDIO 6 Nachhaltigkeiten, 3.20 min