02.10. 2019 Der 4. Projekttag von „Erinnern für die Gegenwart“

Am 02.10.2019 besuchten Sabine und Susanne die Gruppe an ihrem 4. Projekttag von „Erinnern für die Gegenwart“. Vor Ort arbeiten in kleinen Gruppen verteilt auf verschiedenen Räume ca. 25 Schüler*innen. Zu Mittag gab es wahre Berge an Pizza. Dann wurde wieder intensivst an den künstlerischen Arbeiten weitergemacht. So ergab sich ein Freiraum für ein Gespräch zwischen Viola Tallowitz-Scharf, Petra Wendholz, Nicole Kassens, Sabine Fett, Susanne Bosch und Hannah Bischof.

Gemeinsam stellten wir fest, das in der Realität des Projektes im Verhältnis zum Plan/Konzept viel Mehr als erwartet passiert ist und die 4 Frauen vor Ort den Prozess als bisher sehr gelungen erleben. Neue Dinge wurden von Schüler*innen eigenständig entwickelt: Sie machten Fotos und Interviews in Papenburg, suchten Zeitzeug*innen und reale Orte auf.

Wenn man Jugendlichen den Freiraum gibt, sie wirklich meint, sind sie oft erst erstaunt und machen dann ganz begeistert. Sie fühlen sich ernstgenommen, sie spüren die besondere Qualität: Es geht ums Miteinanderarbeiten, ums WIE und WARUM.

WARUM machen wir das?

An Tag 1 gab es die Frage, was wollen wir ausstellen? Wie? Was ist eine ästhetische Präsentation, was soll das Publikum erleben? Interessant wurde es, als sie untereinander das vorher entstandene Material ordnen sollten. Es wurde lebendig, selbstverantwortlich und verbunden. Sie haben sortiert über die Exponate, nicht intellektuell.

Sabine fragt: „Was glaubt ihr, bleibt bei den Jugendlichen?“ Es folgen von allen vieren Antworten: Stolz, Wertschätzung und Öffentlichkeit durch die Ausstellung,; ein Erinnern der Momente ästhetischen Aushandelns; das Erlebnis der Rollenwechsel, vor allem der Lehrerin Nicole.

Wie haben sich die Konzepte der Kleingruppen entwickelt?

Sie hatten vorab Zeit, eigene Ideen zu entwickeln: Manche Ideen wurden angeregt durch das Erwachsenenteam

Würdet ihr sagen, euer Projekt bewegt eine Haltung, ein bewußterer Umgang mit dem Thema Ausgrenzung?

Es existiert eine wohlwollende Atmosphäre in der Gruppe an sich. Die Ausgrenzer*innen sind nicht hier. Die Projekttage zeichnen sich aus durch einen fließenden Charakter, einer Atmung zwischen Kleingruppe und Großrunden. Auch die vier Erwachsenen fließen zwischen den Gruppen.

Nicole hatte als Lehrerin vorab Zweifel, wie die Lebenswelten der Schüler*innen und diese Vergangenheit zusammengehen würden: Wie geht Euthanasie /Nationalsozialismus und Alltagsrealität von jungen Menschen 2019 wirklich zusammen?

Ein guter Einstieg war die Gruppierungsaufgabe von Begriffen am Anfang. Auch hat Hannahs Art der Augenhöhe und des „Persönlich seins“ sofort einen Bruch verhindert und eine Brücke geschlagen. Die Schüler*innen bezeugen, sie wüssten nun sehr viel mehr und hätten etwas es verstanden. Ausgrenzung sei der 1. Schritt.

Auch Sabine hatte ursprünglich eine Befürchtung des Bruchs: Das Konzept klinge wie eine Ausstellungsvermittlung. Sie stellt fest, wie gut es gelungen sei, dass Jugendliche das Thema zu ihrem eigenen gemacht haben. Die Jugendlichen haben sich mit eigenen Erfahrungen, Denken und gestalterischen Arbeiten involvieren können. Das Projekt ist ein gelungener kollektiver Input von Schule, Kunstschule und Künstlerin.

Susanne fragt, ob es Elefanten im Raum, d.h. Dinge die da sind, aber nicht angesprochen werden?

Manche Schüler*innen hatten Schwierigkeiten mit dieser Art von Kunst, das Arbeiten mit Worten, Collagen und Gedanken. Es war machen auch zu nah am Privaten. Das Forschen in der eignen Familiengeschichte kann ungeahntes auslösen. Untereinander haben sie zum Teil sehr problematische Dinge geteilt. Dennoch bleibt bisher der sichere Raum trotz der intimen Informationen. Manche Schüler*innen haben Psychiatrie-Erfahrungen. Dieser Erfahrung wird nicht von anderen thematisiert. Die Zweigleisigkeit des Themas schafft Luft: Hannahs Geschichte/Euthanasie/NS und eigene Familien- und Alltagsrealität. Sie haben immer die Wahl des Persönlichen oder der Metaebene, der Gegenwart und der Vergangenheit. Das persönliche Erzählen von Hannah schafft Öffnung.

Die Schüler*innen sehen sich nun als Botschafter*innen für die nächste Generation durch die Erfahrung mit Hannahs Geschichte. Toll ist wenn sich das als Erfahrung festigt: „Ich fühle mich verantwortlich für die Geschichte!“ Die Ausstellung mit Gäst*innen wird eine neue Situation für alle: Viele Leute kommen und werden sich das anschauen. Das wird eine Überraschung für die Schüler*innen, da diese Erfahrung neu und unbekannt für sie ist.